- Physiknobelpreis 1956: John Bardeen — Walter Houser Brattain — William Shockley
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Die drei amerikanischen Physiker erhielten den Nobelpreis für »ihre Untersuchungen über Halbleiter und die Entdeckung des Transistoreffekts«.BiografienJohn Bardeen, * Madison (Wisconsin) 23. 5. 1908, ✝ Boston (Massachusetts) 30. 1. 1991; Studium an der Universität von Wisconsin, Tätigkeiten an den Universitäten in Princeton, Harvard und Minnesota, nach dem Krieg zu den Bell Telephone Laboratories, nach 1951 an der University of Illinois.Walter Houser Brattain, * Amoy (China) 10. 2. 1902, ✝ Seattle (Washington) 13. 10. 1987; Studium an den Universitäten von Oregon und von Minnesota, ab 1929 bei den Bell Telephone Laboratories.William Bradford Shockley, * London (England) 13. 2. 1910, ✝ Stanford (Kalifornien) 12. 8. 1989; Studium am California Institute of Technology und am Massachusetts Institute of Technology, 1936-55 war er bei den Bell Telephone Laboratories, danach Direktor des Shockley Halbleiter Laboratoriums von Beckman Instruments in Mountain View (Kalifornien).Würdigung der preisgekrönten LeistungWenige Tage vor Weihnachten 1947 entwickelten John Bardeen, Walter Brattain und William Shockley das Transistorprinzip, nachdem sie im vorangegangenen Sommer Grundlagenforschung zur Festkörperphysik betrieben und Halbleiter erforscht hatten. Brattain, der seit 1929 in den Bell-Laboratorien in Murray Hill (New Jersey) war, sammelte seit 1931 Erfahrungen bei der Untersuchung von Halbleitern; der später hinzugekommene Theoretiker Shockley leitete die Gruppe, in die er auch Bardeen holte; dieser stellte kurz zuvor eine Theorie der Halbleiteroberflächen auf und dachte über die Möglichkeit nach, mithilfe der Halbleiter elektrische Signale zu verstärken.Die Bell Telephone Laboratories waren seit 1925 die Forschungsorganisation der vom Telefonerfinder Alexander Graham Bell 1877 gegründeten American Telephone and Telegraph Company. Auf dem amerikanischen Kontinent entwickelte sich das Telefonnetz zur Jahrhundertwende mit mehreren Millionen Teilnehmern zu einem wichtigen Industriebereich. Zur Gesprächsvermittlung waren schnelle Verstärker nötig, um schwache Steuerströme in starke Signale umzuwandeln. Das Vermögen, diese zunächst mechanischen Relais für mehr Vermittlungsmöglichkeiten immer kleiner zu bauen, war begrenzt. Zudem waren die seit den 1930er-Jahren alternativ benutzten Elektronenröhren zu schwer, zerbrechlich, groß und langsam. Die Erfolge der noch jungen Quantenmechanik zur Erklärung von Vorgängen in Festkörpern regten Brattain an, die Verstärkung des elektrischen Stroms innerhalb von Kristallen zu realisieren, und Shockley, der sich in seiner Dissertation mit der Elektronenausbreitung in Natriumchlorid beschäftigt hatte, war Experte für die elektrische Leitfähigkeit in Kristallen. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg konnte Shockley auf der Idee der »Randschichttheorie« des Schweizer Physikers Walter Schottky aufbauen und seine »Feldeffekt-Transistor« genannte Anordnung entwickeln, und als er nach dem Krieg für Bell zurückgewonnen werden konnte, blühte durch deren Verwirklichung die Halbleiterforschung auf.Die sich im Periodensystem der Elemente zwischen den Metallen und den Isolatoren befindlichen Halbleiter sind bei absoluter Nullpunkttemperatur (-273 Grad Celsius) elektrisch isolierend, denn sie brauchen jedes Elektron ihrer äußeren Schale, um die für sie charakteristische Kristallgitterstruktur aufrechtzuerhalten. Bei den Atomen der von Shockleys Forschungsgruppe untersuchten Halbleiter Silicium (Si) und Germanium (Ge) sind dies jeweils vier Elektronen, die sich je an ein anderes Si- beziehungsweise Ge-Atom binden, sodass keines der Elektronen für elektrischen Ladungsaustausch zur Verfügung steht. Führt man den Halbleitern aber Wärme oder Licht zu, so werden sie elektrisch leitend, weil von außen kommende Energie die Gitteratome zu Schwingungen anregt. Die Bindungen werden schwächer, einzelne Elektronen werden frei, die bei angelegtem elektrischem Feld durch den Halbleiter strömen können. Auch durch fehlende Elektronen entstehende Lücken können wie Ladungen durch den Kristall wandern. Sowohl Elektronen- wie Löcherleitung werden also im Halbleiter hervorgerufen, wenn dessen Atome durch andere, die ein Valenzelektron mehr oder weniger besitzen, ersetzt werden. Ein Arsenatom hat zum Beispiel fünf äußere Elektronen, es kann als ein Elektronen-»Spender« (Donator) dienen und Elektronenleitung anstoßen; ein Galliumatom hat nur drei Valenzelektronen, setzt man es an die Stelle eines Si-Atoms, so wird es ein fremdes Elektron annehmen (Akzeptor) und somit »Löcherleitung« hervorrufen. Die Forscher bei Bell beabsichtigten, Stromtransport im Halbleiterkristall über die Anzahl der Elektronen oder Löcher zu kontrollieren. Dazu sollte ein auf die Halbleiteroberfläche gebrachtes aufgeladenes Metall je nach Polung die Halbleiterelektronen oder -löcher anziehen beziehungsweise abstoßen. Eine periodisch angelegte Spannung sollte einen Wechselstrom im Kristall verstärken, doch das Experiment misslang. Bardeen vermutete, dass die Oberfläche alle induzierten Ladungen absorbiert hatte. Die nachfolgenden Untersuchungen begründeten die Oberflächenphysik.Spitzen- und FlächentransistorMittels Mikroskop und Nadelspitzen tastete Brattain systematisch Felder, Ladungen, Ströme und Spannungen der Germaniumoberfläche ab. Das entscheidende Experiment führte er dann am 16. Dezember 1947 durch: Auf zwei dem Ge-Kristall zuvor im Vakuum aufgedampfte Goldpünktchen im Abstand von etwa 0,1 mm, die als Abtastkontakte dienten, brachte er je eine Nadelspitze an, durch die Strom zugeführt werden konnte. Spannung an einem der beiden Kontakte sollten zur Verdrängung positiver Ladungen im Ge-Kristall führen. Da die Isolation zwischen ihm und der Goldschicht aber abgewaschen war, konnten die positiven Ladungen direkt aus dem Germanium in die positiv geladene Goldschicht gelangen. Diese »Löcherinjektion« bewirkte eine Stromverstärkung durch die 0,1 mm entfernte Nadelspitze in den Halbleiter. Bei der nächsten Anordnung waren die Kontakte nur 0,005 mm voneinander entfernt, und es wurde eine bis zu 100fache Verstärkung erzielt. Bardeen hatte hierzu die Goldfolie auf einem Plastikprisma an einer Spitze durchtrennt.Den Direktoren von Bell wurde dieser Verstärker innerhalb einer Schaltung am 23. Dezember vorgeführt; der Name »Transistor« stammt von dem Bell-Mitarbeiter John Pierce: Die Endsilbe »istor« war üblich für Elektronikbausteine, und da Strom durch den Halbleiter geleitet wird, sollte der neue Baustein Transistor heißen. Er sollte in Telefone, Radios und Fernsehgeräte eingesetzt werden. Shockley konnte wenig später nachweisen, dass der Transistoreffekt flächenhaft in Grenzschichten zwischen Bereichen mit Elektronen- oder Löcherüberschuss hervorgerufen werden kann. Zwei solche Übergangs- oder Grenzschichten, von denen bei entsprechender Spannung eine als Stromgleichrichter und die andere als Stromsperre realisiert wurde, funktionierten als erster bipolarer Transistor.Als etwa zehn Jahre später Jack S. Kilby (Nobelpreis 2000) erstmals mehrere Transistoren auf einem Halbleiterplättchen zu einer einfachen Schaltung zusammenstellte, begann damit die Entwicklung des Mikrochips als Grundelement heutiger Mikroelektronik.R. Seising
Universal-Lexikon. 2012.